Neugestaltung des Atzeplatzes

Der Atzeplatz oberhalb Herrensohrs

Am nordwestlichen Ortsrand von Herrensohr liegt der sogenannte Atzeplatz, eine ebene dreiecksförmige Lichtung oberhalb der katholischen Kirche und des AWO-Heims. Sie grenzt im Osten mit einer Spitze an die Bebauung Herrensohrs, im Westen wird der Platz durch einen Forstweg, im Norden mit einem lichten, baumbewachsenen abfallenden Hang und im Süden mit dichtem Wald begrenzt. Seit Generationen wurde diese Stelle am Rand des Herrensohrer Waldes für Vergnügungen genutzt. Sei es als Bolzplatz für Kinder und Jugendliche, als Köhlerplatz einmalig in den 90’ern, als Ort des wiederkehrenden Sommerfestes des Männerchors oder als Endpunkt des jährlichen Laternenzugs der Kinder der Kindertagesstätte. Über die Jahre ist die Lichtung immer mehr zugewachsen, als Ort fröhlicher Feiern ist er aber nicht in Vergessenheit geraten.

Vorgeschichte zur Neugestaltung

Bereits in den vom OIV organisierten Bürgerworkshop 2018/19 bildete sich eine Projektgruppe, die den Atzeplatz neu erschließen wollte. Angedacht wurde eine Hütte zur Verwendung als Unterstand für Feiern von Vereinen oder Familien und als sogenanntes grünes Klassenzimmer für die Kinder der in der Nähe liegende Grundschule sowie die ortszentrale KiTa. Beide Institutionsleitung sahen in der Idee sofort eine große Chance, ihren Unterricht regelmäßig naturnäher zu gestalten und beteiligten sich an der Initiative. Gerade die Möglichkeit, in den Alltag Naturerfahrungen niederschwellig einzubauen, Naturphänomene und Naturräume in einem geschützten Umfeld erfahren zu können, wird auch von der Bevölkerung generationenübergreifend willkommen geheißen.

Im Verlauf der Konkretisierung der Pläne wurde recht schnell klar, dass eine Hütte am Atzeplatz vom Eigner des Geländes, des Landesbetriebs Saarforst, nicht gebilligt würde. Standen dem Vorhaben zunächst Gründe der Wegesicherung entgegen, waren es zunehmend Brandschutzbedenken. Die Corona-Pandemie unterband auch hier eine fortschreitende Planung.

Im Herbst 2022 wurden durch den Saarforst im Herrensohrer Wald umfassende Fällungsarbeiten durchgeführt. Auch am Atzeplatz wurden zahlreiche Bäume gefällt. Es entstand eine unwirtliche dreieckige Lichtung von jeweils ca. 25 m Schenkellänge, die von Baumbestand befreit wurde. Die Aktion des SaarForstes war weder mit Einwohner:innen noch Bezirksvertreter:innen abgestimmt oder angekündigt. Folglich regte sich in der Bevölkerung deutlicher Widerstand gegen das Vorgehen des SaarForstes. Offenbar wurde von den ausführenden Stellen nicht mit der Sensibilität der Bevölkerung gegenüber Eingriffen am Atzeplatz gerechnet. 

Der OIV Herrensohr hat diesen Eingriff umgehend als Chance begriffen und beschlossen, die Gestaltung des Atzeplatzes als Herrensohrer Erlebnisort anzugehen. Er konnte den SaarForst, KiTa-, Grundschul-Leitung und die sich gebildete Bürgerinitiative zum Erhalt des Herrensohrer Waldes unmittelbar zur Mitwirkung an der Gestaltung gewinnen. 

Beteiligungsprozess „Neugestaltung Atzeplatz“

Für den Vorstand des OIV stand schnell fest, dass die Gestaltung nur in einem Beteiligungsprozess nachhaltig gelingen kann. In der unmittelbaren Folge konzipierte der OIV-Vorstand daher einen partizipativen Prozess mit dem Ziel, alle Stakeholder an der Atzeplatzgestaltung so mit einzubeziehen, dass in überschaubarer Zeit ein allgemein und langfristig getragenes, naturnahes Nutzungskonzept mit einer konkreten Gestaltung resultiert.  

Der konzipierte Prozess besteht aus mehreren Stufen mit zunehmendem Konkretisierungsgrad. Zunächst wurden vorbereitende Gespräche mit den Stakeholdern geführt, in denen Rahmenbedingungen, Erwartungen und Ideen gesammelt wurden und die Beteiligten für den geplanten Prozess gewonnen werden sollten. Die Gespräche konnten im Frühjahr 2023 in individuellem Rahmen geführt werden. Der SaarForst setzte bestimmte Rahmenbedingungen, wie, dass keine Bauten genehmigt würden, andererseits stellte er eine Beteiligung bei konkreten Maßnahmen in Aussicht. Diese Informationen wurden in die Gespräche mit den anderen beteiligten Gruppen mitgenommen, um für den nächsten Schritt den optimalen Erwartungshorizont bei allen zu erzeugen. In den Gesprächen zeigte sich, dass innerhalb des vom Eigner gesteckten Rahmens alle Gruppen sich geeignete und nicht widersprechende Nutzungs- und Gestaltungsszenarien vorstellen können. Der OIV-Vorstand konnte das große Interesse und Gestaltungswillen bei allen Gruppen feststellen.

Stakeholderliste

  • Bürgerinitiative Herrensohrer Wald
  • Landesbetrieb SaarForst
  • Kindertagesstätte
  • Freiwillige Grundschule Herrensohr-Jägersfreude
  • Projektgruppe Atzeplatzgestaltung
  • Bürger:innen als Experten für architektonische Gestaltung, Gartengestaltung, Pilze, Holzbau

Ideen-Workshop

Im nächsten Schritt wurden die Interessierten per persönlicher Einladung sowie Ankündigung per Webseite, Aushang, Facebook-Gruppe und Pressemitteilung zum moderierten Ideen-Workshop am 27.06. eingeladen.

 

Der OIV konnte sich für die Moderation professioneller Unterstützung durch die ortsansässige Architektur-professorin Eve Hartnack versichern. Prof. Hartnack wurde mit den örtlichen Gegebenheiten vor Ort und dem geplanten Prozess vertraut gemacht und entwickelte mit dem OIV-Vorstand den Ablauf des Workshops. Knapp 20 Personen waren der Einladung gefolgt, darunter der Direktor des Landesbetriebs SaarForst, der Bezirksbürgermeister, die Grundschulleiterin und die KiTa-Leiterin.  

 

Zur Einstimmung wurden die Teilnehmenden auf den Atzeplatz eingeladen. Durch die Begehung wurden Gestalt und Dimension des Status Quo erfasst und erste Ideen ausgetauscht. Der eigentliche Workshop fand dann in einer örtlichen Gaststätte statt, die ihren Nebenraum kostenfrei zur Verfügung stellte.

Zu Beginn wurden die Anwesenden eingeladen sich mit Erinnerungen an den Platz vorzustellen und in einem 1-2-4-Prozess (think-pair-share) mögliche Nutzungen zu diskutieren. In einem World Café wurden an fünf Tischen Ideen für die Nutzung verschriftlicht, und auch  gleich überlegt, was es zur Realisierung der Ideen benötigt. Hier sollten auch bewusst Hindernisse aufgenommen werden, um möglichst realistische und realisierbare Szenarien zu entwickeln. 

 

Die wichtigsten Aspekte wurden von den jeweiligen Tischmoderator:innen auf übergroßen Karteikarten vorgetragen und an Moderatorentafeln geclustert. Als Ergebnis konnte eine kategorisierte Übersicht über die gewünschte Nutzung und dafür benötigte Installationen und Pflanzungen sowie auch erste Finanzierungsquellen und kritische Punkte (Genehmigungen, Geräteeinsatz, Pflege usw.) gewonnen werden. 

Als gemeinsame Vision konnte ein naturnaher Platz für die Nutzung als Bildungs- und Erlebnisort beschrieben werden. Wesentliche, bei der konkreten Planung zu berücksichtigenden Aspekte waren demnach seniorenübergreifende Begegnungsstätte, Bühne, grünes Klassenzimmer (Lernort, BNE), Randbepflanzung und Rückzugsort. So könnten sich verschieden Gruppen eine jeweils konkrete Nutzung vorstellen: Frühlingsfest (OIV), grünes Klassenzimmer (Grundschule und KiTa), Infotafeln (Pilzsachverständiger), barrierearme Sitzplätze (Senioren). 

Follow-up Workshop

Freiwillige Herrensohrer:innen, die sich im Ideen-Workshop für eine weitere Mitarbeit gemeldet hatten, wurden zum Follow-up Workshop am 24.07. in der evangelischen Kirche eingeladen. 10 Personen fanden sich zum konkreten Planen zusammen. Ziele waren, den entstehenden Platz naturnah und multifunktional zu nutzen und mit möglichst wenig Pflegeaufwand die Nutzung aufrecht zu erhalten.

Nach der Vergewisserung der Ergebnisse des Ideenworkshops gingen die Teilnehmenden in den direkten Austausch, wie die Nutzungsszenarien mit Pflanzungen, Installationen und ggf. geringen baulichen Eingriffen umgesetzt werden könnten. 

Heraus kam eine Skizze eines dreieckigen Platzes mit verschiedenen Nutzungszonen. 

Ein großer Bereich sollte einer Anordnung ineinander greifender Halbkreise an Sitzbänken vorbehalten bleiben. Diese könnten mit geringem Materialaufwand für ein grünes Klassenzimmer genauso genutzt werden, wie als kleine bühnenartige Fläche für künstlerische und musikalische Darbietungen, ideal für Schulklassen, Kitagruppen und kleinere Vereinsfeste. Eine weitere Fläche soll durch Bewuchs mit Wildrosen zu einer Erlebnisfläche aufgebaut werden, die Versteckmöglichkeiten bietet. Der Bewuchs mit frei wuchernden Brombeerranken sollte eingeengt werden. 

Die Ränder des Areals werden definiert durch den verbleibenden Baumbestand im Süden und im Norden mit alten Obstsorten und einer sogenannten Benjeshecke. Eine Benjeshecke ist eine kostengünstigen Anlage einer Naturhecke durch Aufschichten vorhandenen Totholzes. Dadurch werden Samen über Wind und Vogelkot auf natürlichem Wege angezogen, und die Artenvielfalt von Insekten, Vögeln und anderem Kleingetier gefördert. Der Aufbau der Hecken ist recht einfach zu gestalten, was auch den unkomplizierten Einbezug von Grundschule- oder Kita-Kindern erlaubt. Eine Infotafel soll Erklärungen zur Benjeshecke und zu Pilzen bieten, vielleicht auch wechselnde Themen beleuchten. 

Die Wegbegrenzung im Westen sollte mit einem Zaun oder ähnlicher Begrenzung aus Ästen und dünnen Stämmen verstärkt werden, um den Eindruck eines Platzes zu verstärken. Zum Schutz vor Sonne und Niederschlag sollten Schirmhalterungen in den Sitzgelegenheiten vorgesehen werden. 

Allen war bewusst, dass aufgrund des Klimawandels klimaresistenten Pflanzen der Vorzug gegeben werden sollte. Auch sollten fruchttragende Bäume den Erlebnischarakter steigern. Angedacht wurden u.a. Kastanien, Wildkirschen, Mispel und Haselnuss. Zur Anzucht in den ersten 1-3 Jahren wurde überlegt, Schläuche mit Verbrauchszählern an Hydranten oder einem naheliegender Vereinsheim zu verlegen und regelmäßig die Anpflanzungen durch Freiwillige zu wässern.

Umsetzung

Im nächsten Schritt wurden die Ergebnisse vom OIV-Vorstand aufbereitet und mit dem SaarForst diskutiert. Noch im Herbst 2023 sollten erste Pflanzungen vorgenommen werden, um die nächste Wachstumsperiode zu nutzen. 

Benjes-Hecke wächst

 

 

Am 06.11.23 tut sich etwas am Atzeplatz.

Die SchuKis der KiTa (vor dem Übergang in die Grundschule) sammelten große Äste und Zweige vom Platz auf und stapelten sie eifrig am Rande zu einem großen Haufen auf. So bildet sich eine Totholzhecke (sog. Benjes-Hecke), die vielen Tieren Schutz bietet.

 

SchuKis der KiTa Herrensohr sammeln Totholz am Atzeplatz und stapeln diese zu einer Benjes-Hecke auf. Fleißige SaarForst-Mitarbeiter haben hierzu ein Gestell aufgebaut.

Baumpflanzung

Danach trafen bald die Bäume ein, die den Atzeplatz einrahmen sollen: Esskastanien und Walnuss, weitere Bäume werden punktuell um den Platz platziert bzw. geschützt. Mitarbeiter des SaarForst Landesbetriebs haben bereits die ersten Bäume gepflanzt und mit Holzgestellen geschützt. 

Esskastanien und Walnüsse warten auf ihre Pflanzung am Atzeplatz.

Die beiden 3. Klassen der Freiwilligen Ganztags-Grundschule Herrensohr-Jägersfreude halfen am 07.12.23 gemeinsam mit ihren Klassenlehrerinnen unter Anleitung von Förster Manuel Mauermann und seinen Forstmitarbeitern tatkräftig mit an, um unseren Atzeplatz wieder zu einem beliebten Treffpunkt in unserem Wald werden zu lassen.

Grundschulkinder der 3. Klassen lernen vom Revierförster M. Mauermann, was eine Benjes-Hecke ist.

Insgesamt wurden 16 kräftige junge Walnuss- und Esskastanienbäumchen gepflanzt. Unter Anleitung der Fachleute durften die Kinder selbst die fast 2m hohen Bäume in die Walderde einbringen.

Grundschulkinder helfen beim Pflanzen mit.

Gleichzeitig wurden auch weiter Totholz für die Benjeshecke gesammelt, die so heute wieder ein Stückchen gewachsen ist. Nebenbei gab es noch viele anschauliche Erklärungen und die Fragen der Kinder wurden beantwortet.

Es hat allen viel Spaß gemacht und wahrscheinlich werden sich daran noch die Kinder und Enkel der heutigen Schulkinder im Herbst beim Sammeln der Nüsse und Kastanien erfreuen können.

Die neuen Bäume bilden die Grundlage für ein nachhaltiges Wachstum klimaresistenter Baumsorten. 

Die nächsten Schritte

Nach den Vorgesprächen mit dem SaarForst sieht der OIV eine große Realisierungswahrscheinlichkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen. Und dadurch, dass sich viele Gruppen mit konkreten eigenen Bedarfen einbringen, kann davon ausgegangen werden, dass sich diese auch mit der Pflege des Platzes oder bestimmter Bereiche in den nächsten Jahr beteiligen. 

Wichtig wird es sein, dass sich auch beim Aufbau Bürger:innen und Gruppen einbringen. Hierzu wird der OIV als Moderator des Prozesses mit den Stakeholdern in engem Kontakt bleiben. 

Mit der Neugestaltung des Atzeplatzes hat der OIV seinem Selbstverständnis und dem Vereinsziel entsprechend die verschiedenen Interessen zwischen Bürger:innen und der Waldverwaltung zu einer konstruktiven Gestaltungsidee zusammengeführt. Wo vorher Positionen zu verhärten drohten, hat sich nun die Chance zum eigenverantwortlichen Handeln ergeben, um den Bürger:innen Herrensohrs aus ihrer individuellen Ortsgeschichte heraus einen nachhaltigen Zukunftsort zu gestalten, der generationenübergreifend das Potential des Waldrandes erschließt. Kinder erfahren durch die Verlagerung ihres Unterrichts in den Wald ihrer natürliche Umwelt (BNE), Familien erhalten einen dorfnahen naturnahen Spiel- und Verweilort, Vereine Zugang zu einem wiederentdeckten, schattigen Festplatz, Senioren einen Treffpunkt auf einem gerne genutzten Spazierweg.